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11.04.2010 19:00

Genetische Ursachen des Nierenversagens entdeckt

Constanze Steinke Pressearbeit
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Wissenschaftler wollen Dialyse langfristig überflüssig machen

    Wissenschaftler der Uni Greifswald haben zusammen mit Forschern aus Europa und den USA mehrere Genvarianten identifiziert, welche die Nierenfunktion beeinflussen. Wie das renommierte Wissenschaftsjournal Nature Genetics in seiner aktuellen Ausgabe* berichtet, gelang es dem internationalen Wissenschaftskonsortium, über ein Dutzend Genvarianten ausfindig zu machen, die langfristig die Nierenfunktion beeinflussen.

    Weltweit wurden über 67.000 Menschen untersucht. "Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung auf eine individualisierte Medizin und ein bedeutender Fortschritt bei der Aufklärung der genetischen Ursachen des Nierenversagens", informierten die Greifswalder Nierenforscher Prof. Rainer Rettig (Foto) und Prof. Karlhans Endlich (Foto).

    Weltweit leiden mehr als 500 Mio. Menschen an einer chronischen Nierenkrankheit, die zu einer Schwächung der Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen führen kann. "Bundesweit ist jeder zehnte Erwachsene betroffen. Allein in Deutschland sind mehr als 90.000 Menschen von einer Nierenersatztherapie wie regelmäßiger Dialyse oder einer Transplantation abhängig", betonte Endlich.
    Häufigste Ursachen in Deutschland und anderen Industrieländern sind Diabetes und Bluthochdruck. "Aber nicht alle Patienten, die an diesen Erkrankungen leiden, entwickeln ein chronisches Nierenversagen. Wissenschafter vermuten daher schon lange, dass die erbliche Veranlagung eine wichtige Rolle spielt", so Rettig.

    Gemeinsam mit ihren internationalen Kollegen durchforschten die Greifswalder Wissenschaftler das menschliche Genom auf der Suche nach Genvarianten, die zur chronischen Nierenkrankheit beitragen. Beteiligt waren die Greifswalder Institute für Anatomie und Zellbiologie, Community Medicine, Genetik und Funktionelle Genomforschung, Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Pharmakologie sowie Physiologie. Den Wissenschaftler kam zugute, dass die Nierenfunktion anhand eines leicht zu bestimmenden Blutwertes gut beurteilt werden kann und, dass sie auf die Ergebnisse der seit über zehn Jahren laufenden Greifswalder Gesundheitsstudie SHIP (Study of Health in Pomerania) zurückgreifen konnten. Erneut wurden die Daten von über 3.000 Vorpommern als Basis für die entscheidende Genidentifizierung genutzt. "Obwohl jede einzelne dieser Varianten nur einen geringen Einfluss ausübt, könnte die Kombination 'schlechter' Gene die erbliche Veranlagung zum chronischen Nierenversagen erheblich verstärken", unterstrichen die Greifswalder Wissenschaftler.

    Mögliche Risikofaktoren und Erkrankungen bereits im Vorfeld erkennen, ist ein Kernansatz der individualisierten Medizin. "Ein wesentliches Ziel der medizinischen Forschung in Greifswald ist es, die individuelle Veranlagung des einzelnen Menschen für häufige und schwere Erkrankungen aufzuklären, um dadurch besser und wirkungsvoller helfen zu können", erklärte der Dekan der Medizinischen Fakultät Prof. Heyo K. Kroemer. Konsequenzen einer nicht erkannten Nierenerkrankung sind der fortschreitende Verlust der Nierenfunktion sowie Herz-Kreislauf-Komplikationen. Chronisch Nierenkranke haben ein zehnfach erhöhtes Risiko, vorzeitig an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben.

    Die Dialysebehandlung zählt neben der starken persönlichen Belastung für die Patienten und ihre Familien zu den aufwändigsten Therapien in der Inneren Medizin. Schätzungen zufolge liegen die jährlichen Ausgaben in Deutschland für die Nierenersatztherapie nicht unterhalb von 2 Milliarden Euro. "Die Blutwäsche und Transplantationen künftig weitestgehend überflüssig zu machen, ist das Hauptanliegen unserer Arbeit", so Endlich und Rettig, "auch wenn das noch ein weiter Weg ist."

    Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 15,4 Mio. Euro geförderten Projektes der individualisierten Medizin GANI_MED (Greifswald Approach to Individualized Medicine) soll jetzt in einer neuen Studie an die Ergebnisse der internationalen Studie angeknüpft und die Bedeutung der Genvarianten bei chronisch nierenkranken Patienten vertiefend untersucht werden.

    Hintergrund Nierentransplantationen
    Im Jahr 2009 wurden in Deutschland in 38 Zentren insgesamt 2.772 Nieren nach einer Organspende transplantiert. Da Nieren paarig angelegt sind, ist prinzipiell eine Lebendspende möglich. Im letzten Jahr wurden insgesamt 600 Transplantationen nach einer Lebendspende vorgenommen, 21,6 Prozent aller Nierentransplantationen. Vor allem die Lebendspende von Erwachsenen für volljährige Patienten hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Zurzeit warten über 8.000 Patienten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Bei endgültigem Nierenversagen kann nur die regelmäßige Dialyse (Blutwäsche) oder eine Transplantation das Leben des Patienten retten.
    Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation (http://www.dso.de)

    *Nature Genetics, published online April 11, 2010
    New Loci Associated With Kidney Function and Chronic Kidney Disease
    DOI: 10.1038/ng.568

    Weitere Informationen
    NATURE: http://www.nature.com/ng/index.html
    SHIP: http://www.medizin.uni-greifswald.de/cm/fv/ship.html
    GANI_MED: http://www.gani-med.de

    Ansprechpartner am Uniklinikum Greifswald
    Institut für Physiologie
    Direktor: Prof. Dr. med. Rainer Rettig
    Greifswalder Straße 11 a, 17405 Karlsburg
    T +49 3834 86-19 320
    E rettig@uni-greifswald.de
    http://www.medizin.uni-greifswald.de/physiol/

    Institut für Anatomie und Zellbiologie
    Direktor: Prof. Dr. med. Karlhans Endlich
    Friedrich-Loeffler-Straße 23 c, 17475 Greifswald
    T +49 3834 86-53 00
    E karlhans.endlich@uni-greifswald.de
    http://www.medizin.uni-greifswald.de/anatomie/
    http://www.klinikum.uni-greifswald.de


    Bilder

    Prof. Dr. med. Karlhans Endlich
    Prof. Dr. med. Karlhans Endlich

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    Prof. Dr. med. Rainer Rettig
    Prof. Dr. med. Rainer Rettig
    Fotos: UKG
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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