idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
06.05.2024 11:00

Gemeinsame Stellungnahme der DGN und DPG zur Anerkennung des „Parkinson-Syndroms durch Pestizide“ als Berufskrankheit

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Am 20. März 2024 hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten (ÄSVB) die Anerkennung der Parkinson-Krankheit unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ empfohlen. Laut Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt ist zu erwarten, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dies in die Liste für Berufskrankheiten aufnimmt. Vermutet wird eine Aufnahme in der zweiten Jahreshälfte 2024. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) und die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V. (DPG) begrüßen diesen Schritt sowie die ausführliche Aufarbeitung der aktuellen Literatur und Datenlage durch den ÄSVB.

    Die wissenschaftliche Evidenz für die Auslösung der Parkinson-Krankheit durch bestimmte Pestizide ist in der Wissenschaftlichen Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats für die Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ ausführlich dargestellt.

    Parkinson-Patientinnen und -Patienten, die eine berufliche Exposition mit Pestiziden haben, sollten ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte vom Umstand ihrer beruflichen Exposition unterrichten. Gegebenenfalls muss dann eine Anzeige bei der Berufsgenossenschaft erfolgen.

    Die aktuellen Kriterien für das Vorliegen einer Berufskrankheit sind: die Erfüllung des Dosismaßes von mindestens 100 trendkorrigierten Anwendungstagen (in eigener Vor- und Nacharbeit der Pestizid-Ausbringung oder in eigener Pestizid-Ausbringung oder in eigener Störungsbeseitigung im Rahmen der Pestizid-Ausbringung) und das gesicherte Vorliegen einer Parkinson-Erkrankung. Alle Menschen, auf die dies zutrifft, haben das Recht, sich an die Berufsgenossenschaft zu wenden.

    Die kritische Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen der der Empfehlung zugrunde liegenden Studien – tierexperimentellen, In-vitro- (in der Regel Zell-Experimente) und epidemiologischen Studien (Beobachtungsstudien in der Bevölkerung) sowie Metaanalysen (d. h. eine Zusammenfassung und Auswertung mehrerer Studien) – erlaubt eine differenzierte Sicht auf das komplexe Thema.

    Hervorzuheben ist die dezidierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Substanzen und Substanzgruppen von Herbiziden, Fungiziden oder Insektiziden, die unter dem Sammelbegriff „Pestizide“ als Pflanzenschutzmittel Verwendung finden.

    Die Darstellung bisher bekannter Mechanismen, die zur Entstehung von Parkinson beitragen können, veranschaulicht, dass neben einer direkt toxischen (giftigen) Wirkung auf Nervenzellen, insbesondere auf dopaminerge Neurone (d. h. auf die Nervenzellen, die bei der Parkinson-Erkrankung zugrunde gehen), auch Stoffwechselvorgänge verändert und Mechanismen induziert werden, die ebenfalls zur Krankheitsentstehung beitragen. Dies sind u. a. Störung der mitochondrialen Funktion (d. h. des Energieapparats von Zellen), Bildung sogenannter freier Radikale und damit Zunahme von oxidativem Stress (Zellstress), Störung des Aufbaus des Stützapparats von Zellen und viele mehr.

    Die bisherigen Erkenntnisse dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass vieles noch unbekannt ist. Bei der Verursachung der Parkinson-Krankheit spielen Umweltfaktoren, wie die Exposition gegen eines oder mehrere der in der wissenschaftlichen Empfehlung behandelten Pestizide, aber auch andere schädigende Umwelteinflüsse wie Feinstäube eine wichtige Rolle. Andere Ursachen liegen in genetischen Veränderungen und Lebensstilfaktoren. Dennoch konnte auf dem Boden der bereits bekannten Zusammenhänge die nun vorliegende Empfehlung der Sachverständigen erarbeitet werden, die erstmals eine einheitliche und wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Prüfung des Vorliegens einer Berufskrankheit gibt.

    „Die Empfehlung‚ das ,Parkinson-Syndrom durch Pestizide‘ auf dem Boden der bereits jetzt bekannten Zusammenhänge als Berufskrankheit anzuerkennen, ist zu begrüßen“, so Prof. Dr. Daniela Berg, Vizepräsidentin der DGN und Mitglied der DPG. „Zum einen, weil Betroffenen und ihren Familien medizinisch und finanziell geholfen werden muss. Zum anderen wird hierdurch die Notwendigkeit des Schutzes für exponierte Personen noch klarer“, so die Parkinson-Expertin. Zum Schutzarsenal der Arbeitsmedizin zählen das Tragen von Schutzkleidung inklusive Ganzkörper-Schutzanzügen, Schutzhandschuhen und festem Schuhwerk sowie die Verwendung von schützenden Kabinenfahrzeugen und Atemmasken. „Der Zusammenhang zwischen individueller hoher Belastung durch die in der wissenschaftlichen Empfehlung behandelten Pestizide und der Entstehung von Parkinson legt nahe, sich beim Einsatz dieser Pestizide ihrer Gefahren viel stärker bewusst zu werden, ihren Einsatz auch unter dem Aspekt des Schutzes vor neurodegenerativen Erkrankungen auf das Notwendigste zu beschränken und verstärkt nach für Mensch und Natur unschädlichen Ersatzstoffen zu suchen“, so Prof. Dr. Joseph Claßen, 1. Vorsitzender der DPG. Die beiden Fachgesellschaften betonen darüber hinaus, dass nicht zuletzt noch weitere Forschung nötig ist, um die Zusammenhänge von Pestiziden und Parkinson besser zu verstehen.

    Prof. Dr. Daniela Berg, UKSH, Campus Kiel, Vizepräsidentin der DGN,
    Prof. Dr. Joseph Claßen, Universitätsklinikum Leipzig, 1. Vorsitzender der DPG

    Pressekontakte:

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen
    c/o albertZWEI media GmbH, Sandra Wilcken
    Tel. +49(0)89 46148611; E-Mail: presse@parkinson-gesellschaft.de

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Peter Berlit
    Leiterin der DGN-Pressestelle: Dr. Bettina Albers
    Tel.: +49(0)30 531 437 959; E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) fördert die Erfor-schung der Parkinson-Krankheit und verbessert die Versorgung der Patientinnen und Pati-enten. Organisiert sind in der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaft Parkinson-Ärztinnen und -Ärzte sowie Grundlagenforscher:innen. Die Zusammenarbeit dieser beiden Zweige ist entscheidend für die Fortschritte in Diagnostik und Therapie. Die DPG finanziert ihre Arbeit ausschließlich über Spenden. Sie kooperiert eng mit der von ihr im Jahr 2019 gegründeten Parkinson Stiftung. Jeder finanzielle Beitrag bringt die Erforschung der Par-kinson-Krankheit weiter voran. www.parkinson-gesellschaft.de

    1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Joseph Claßen, Leipzig
    2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Alexander Storch, Rostock
    3. Vorsitzende: Prof. Dr. med. Kathrin Brockmann, Tübingen
    Schriftführer: Prof. Dr. med. Carsten Eggers, Duisburg-Essen
    Schatzmeister: Prof. Dr. med. Lars Tönges, Bochum

    Geschäftsstelle der DPG:
    Friedrichstr.88, 10117 Berlin,
    Tel.: +49 (0)30 531437939, E-Mail: info@parkinson-gesellschaft.de

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) sieht sich als wissenschaftliche Fach-gesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 12.300 Mitglie-dern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

    Präsident: Prof. Dr. med. Lars Timmermann
    Stellvertretende Präsidentin: Prof. Dr. med. Daniela Berg
    Past-Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
    Generalsekretär: Prof. Dr. med. Peter Berlit
    Geschäftsführer: David Friedrich-Schmidt

    Geschäftsstelle der DGN:
    Friedrichstraße 88, 10117 Berlin,
    Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).