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29.04.2024 10:06

NACHGEFRAGT: "Der Laborwert allein sagt wenig über den Zustand des Patienten aus"

Markus Wolters Geschäftsstelle
Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e. V.

    Die Ärztin Julie Schanz lehrt als Professorin an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und leitet dort den hämatologischen Bereich des UMG-Labors. Sie ist zudem Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL). Im Gespräch mit DGKL News erklärt Schanz, warum Stars und Kronprinzen die gleiche Qualität der Analysen erwarten dürfen wie alle Patienten - und weshalb personalisierte Medizin eine immer wichtigere Rolle bei der Interpretation der individuellen Laborwerte einnimmt.

    DGKL News: Frau Prof. Schanz, wir haben uns die Internetseite des Interdisziplinären UMG-Labors (UMGL) angesehen, wo Sie tätig sind. Dort heißt es: "Das UMGL versorgt als erweitertes Zentrallabor die gesamte Universitätsmedizin Göttingen sowie angeschlossene externe Kliniken, überregionale und internationale Einsender". Warum sollte jemand aus dem Ausland seine Proben nach Göttingen schicken?

    Schanz: Wir halten in unserem Labor eine ausgewiesene Expertise für spezielle Fragestellungen, beispielsweise im Bereich HPLC/LCMS oder der Diagnostik hämatologische Neoplasien vor. Hier können wir auch Einsendern aus dem Ausland ein großes Portfolio an Analysen anbieten.

    DGKL News: Sie leiten den hämatologischen Bereich des UMG-Labors und verantworten somit auch Spezialanalysen mit Durchflusszytometrischen „FACS"-Systemen. Was genau verbirgt sich hinter dieser Technologie?

    Schanz: Die Durchflusszytometrie ist eine Methode, mit der sich Eigenschaften von Zellen, insbesondere spezielle Strukturen auf deren Oberfläche, genau bestimmen lassen. Dies erlaubt eine genaue Charakterisierung einzelner Zellpopulationen, insbesondere in der Diagnostik von Leukämien und Lymphomen. Dort ist diese Methode mittlerweile Standard und aus dem klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken.

    DGKL News: Und weil die Beherrschung solcher Analysemethoden komplex ist, melden sich mitunter Kronprinzen oder Hollywood-Stars mit der Bitte um eine Analyse?

    Schanz: Kronprinzen oder Stars haben sich bisher noch nicht bei uns gemeldet, dafür fehlt uns als bodenständiges Labor vielleicht auch der spezielle Glamour-Faktor. Aber natürlich würden wir auch für diese Gruppe wie auch für alle anderen Einsender eine hohe und gleichbleibende Qualität anbieten.

    DGKL News: Wenn wir Sie richtig verstehen, geht es um onkologische Fragestellungen. Die UMG Labore bieten ein enormes Repertoire an Leistungen, doch Hand aufs Herz: Nicht jeder Patient hat das Glück, medizinisch in Göttingen versorgt zu werden. Was raten Sie Menschen, die in ländlichen Kliniken untergebracht sind?

    Schanz: Die Diagnostik und Therapie onkologischer Erkrankungen ist durch den enormen Erkenntniszuwachs der letzten Jahre komplex und vielfältig geworden. So gibt es beispielsweise den Ansatz der Personalisierten Medizin, der das Ziel verfolgt, auf den einzelnen Patienten und seinen speziellen Tumor zugeschnittene Therapien anzubieten. Auch bietet der Einschluss in eine klinische Studie oft die Möglichkeit, neue und erfolgversprechende Therapieansätze anzuwenden. Daher ist es oft sinnvoll, sich in einem zertifizierten Krebszentrum behandeln zu lassen. Diese sind überall in der Bundesrepublik erreichbar und bieten eine hohe Qualität für die Diagnostik und Therapie von Tumorerkrankungen.

    DGKL News: Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass hämatologische Untersuchungen manchmal bessere Diagnosen liefern, als sie der niedergelassene Arzt ohne Laborwerte erstellen könnte. In der Praxis ist aus Kostengründen die Bereitschaft zur prophylaktischen Blutuntersuchung aber begrenzt. Kann man sich als Selbstzahler an die UMG wenden, um sich die Blutwerte checken zu lassen?

    Schanz: Ja, das ist bei uns möglich. Hierfür kann über unser Sekretariat jederzeit ein Termin für eine Blutentnahme vereinbart werden.

    DGKL News: Die reinen Laborwerte sagen nicht immer etwas aus. Erst die Betrachtung des Gesamtbildes erlaubt eine Diagnose. Können Sie uns hierfür ein Beispiel nennen?

    Schanz: In meiner klinischen Ausbildung habe ich gelernt, dass wir Menschen und nicht Laborwerte behandeln. Dies gebe ich auch so an meine Studierenden und Weiterbildungsassistenten weiter, da dies ein wichtiger Grundsatz ist. Beispielsweise kann eine Blutarmut (Anämie) ganz unterschiedliche Auswirkungen haben, die vom Alter, den Begleiterkrankungen und dem Allgemeinzustand abhängen. So kann ein junger Mensch mit einer Anämie vollkommen symptomfrei bleiben, während ein älterer, vielleicht herzkranker Patient mit dem gleichen Wert starke Beschwerden zeigt. Beide müssen weiter abgeklärt und gegebenfalls auch behandelt werden, aber der Laborwert allein sagt hier wenig über den Zustand des Patienten aus.

    DGKL News: Zum Schluss noch eine Frage zu Vorsorgeuntersuchungen. Wie oft, und welche Werte sollte man sich bestimmen lassen?

    Schanz: Hier würde ich mich an den allgemeinen Empfehlungen des gemeinsamen Bundesausschusses orientieren. Hier wird ein sogenannter „Gesundheits-Check-up“ für alle gesetzlich versicherten angeboten. Dieser umfasst auch verschiedene Laboruntersuchungen wie Blutfette, Glucose und Urinanalysen. Diese dienen der Früherkennung verschiedener Erkrankungen und der Wert der Laboranalysen ist hier wissenschaftlich gut belegt.

    DGKL News: Frau Prof. Schanz, vielen Dank für das Interview.



    Die Fragen stellten DGKL-Nachrichtenredakteure Marita Vollborn und Vlad Georgescu.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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