idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
16.04.2024 09:31

Wasserabweisende Fasern ohne PFAS - Endlich umweltfreundlich

Dr. Andrea Six Kommunikation
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

    Regenjacken, Badehosen oder Polsterstoffe: Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften benötigen eine chemische Imprägnierung. Fluor-haltige PFAS-Chemikalien sind zwar wirkungsvoll, schaden aber der Gesundheit und reichern sich in der Umwelt an. Empa-Forschende entwickeln nun ein Verfahren mit alternativen Substanzen, mit dem sich umweltfreundliche wasserabweisende Textilfasern erzeugen lassen. Erste Analysen zeigen: Die «guten» Fasern weisen Wasser stärker ab und trocknen schneller als die der herkömmlichen Produkte.

    Soll eine Badehose nach dem Schwimmen ihre Form behalten und schnell trocknen, muss sie zwei Eigenschaften kombinieren: Sie muss elastisch sein und darf sich nicht mit Wasser vollsaugen. Eine derartige wasserabweisende Wirkung lässt sich in der Textilindustrie durch das Behandeln der Textilien mit Chemikalien erreichen, die das elastische Kleidungsstück mit sogenannten hydrophoben Eigenschaften ausstatten. In den 1970er-Jahren begann man, hierfür neuartige synthetische Fluorverbindungen zu verwenden – Verbindungen, die bedenkenlos unzählige Anwendungsmöglichkeiten zu bieten schienen, sich später aber als höchst problematisch herausstellten. Denn diese Fluor-Kohlenstoff-Verbindungen, kurz PFAS, reichern sich in der Umwelt an und schaden der Gesundheit (siehe Box). Empa-Forschende entwickeln daher gemeinsam mit Schweizer Textilunternehmen alternative umweltfreundliche Verfahren, mit denen sämtliche Fasern wasserabweisend ausgerüstet werden können. Dirk Hegemann vom «Advanced Fibers»-Labor der Empa in St. Gallen erläutert das von der Innosuisse geförderte Projekt: «Wir setzen sogenannte hochvernetzte Siloxane ein, die Silikon-ähnliche Schichten erzeugen und – anders als Fluor-haltige PFAS – unbedenklich sind.»

    In Plasmawolken gehüllt

    Die Plasma-Beschichtungsanlagen der Empa reichen von handlichen Tischmodellen bis hin zu raumfüllenden Geräten. Für die Faserbeschichtung werden die Siloxane in einem reaktiven Gas zerstäubt und aktiviert. Auf diese Weise behalten sie ihre funktionalen Eigenschaften und umschliessen die Textilfasern mit einer nur 30-Nanometer-feinen wasserabweisenden Hülle. Derart beschichtete Fäden lassen sich danach zu wasserabweisenden Textilien jeglicher Art verarbeiten, etwa zu Kleidungsstücken oder technischen Textilien wie Polsterstoffe.

    Der Vorteil gegenüber herkömmlichen nasschemischen Verfahren: Selbst bei komplex strukturierten Textilien ist die lückenlose Verteilung der hydrophoben Substanzen bis in alle Windungen der verschlungenen Fasern gewährleistet. Dies ist zentral, denn schon eine winzige benetzbare Stelle würde genügen, damit Wasser in die Tiefe einer Badehose eindringt und so das schnelle Trocknen des Kleidungsstücks verhindert. «Es ist uns sogar gelungen, selbst anspruchsvollere, elastische Fasern mit dem neuen Verfahren dauerhaft zu imprägnieren, was bisher nicht möglich war», so Empa-Forscher Hegemann.

    Grosses Interesse seitens Industrie

    In ersten Laboranalysen schneiden Textilien aus den neuen Fasern mit umweltfreundlicher Beschichtung bereits leicht besser ab als herkömmliche PFAS-beschichtete Stoffe: Sie saugen weniger Wasser auf und trocknen schneller. So richtig ins Gewicht fallen die wundersamen Eigenschaften der Fluor-freien Beschichtung aber erst nach mehrmaligem Waschen der Textilien: Während die herkömmliche PFAS-Imprägnierung bei dehnbaren Textilien bereits deutlich leidet, bleibt die Fluor-freie Faser auf hohem Niveau. Damit ist sie trotz Beanspruchung doppelt so wasserabweisend und trocknet deutlich effizienter.

    Hegemann und sein Team sind nun daran, das Fluor-freie Laborverfahren zu leistungsfähigen und wirtschaftlich tragfähigen industriellen Prozessen zu skalieren. «Die Industrie ist sehr interessiert, nachhaltige Alternativen zu PFAS zu finden», sagt Hegemann. Die Schweizer Textilunternehmen Lothos KLG, beag Bäumlin & Ernst AG und AG Cilander sind daher bereits mit an Bord, wenn es darum geht, umweltfreundliche Fluor-freie Textilien zu entwickeln. «Eine gelungene Zusammenarbeit, die Materialien, Fasertechnologie und Plasmabeschichtung kombiniert und zu einer innovativen, nachhaltigen und effektiven Lösung führt», sagt etwa Dominik Pregger von Lothos. Bernd Schäfer, CEO von beag, fügt an: «Die Technologie ist umweltfreundlich und verfügt gleichzeitig über ein interessantes wirtschaftliches Potenzial.»



    Fluor-haltige PFAS: Das ewige Gift
    Bei PFAS, den per- und polyfluorierten Alkylverbindungen, handelt es sich um eine Gruppe von synthetischen Chemikalien, die durch ihre Fähigkeit, Wasser, Öl und Fett abzuweisen, vielfältige Anwendungsgebiete haben. Sie werden seit den 1970er-Jahren beispielsweise bei der Produktion von Funktionsbekleidung, Feuerlöschern und Bratpfannen verwendet. Da die Kohlenstoff-Fluor-Substanzen nicht abgebaut werden, sondern sich in der Umwelt und letztlich im menschlichen Körper anreichern, werden sie als «Ewigkeitschemikalien» bezeichnet. Bei Mensch und Tier stehen die Substanzen unter Verdacht, diverse gesundheitliche Schäden auszulösen, wie Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, Übergewicht oder Entwicklungsstörungen. Gewisse PFAS sind bereits verboten, weitere könnten folgen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Dirk Hegemann
    Empa, Advanced Fibers
    Tel. +41 58 765 72 68
    redaktion@empa.ch


    Weitere Informationen:

    https://www.empa.ch/web/s604/umweltfreundliche-textilien-ohne-pfas Empa-Homepage


    Bilder

    Empa-Forscher Dirk Hegemann entwickelt Plasma-Beschichtungsverfahren für umweltfreundliche Textilien.
    Empa-Forscher Dirk Hegemann entwickelt Plasma-Beschichtungsverfahren für umweltfreundliche Textilien ...

    Empa


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Empa-Forscher Dirk Hegemann entwickelt Plasma-Beschichtungsverfahren für umweltfreundliche Textilien.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).