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15.04.2024 16:14

NACHGEFRAGT: "Die komplexen Anwendungen in spezialisierten Laboren stellen echte Innovationsmotoren dar"

Markus Wolters Geschäftsstelle
Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e. V.

    Der Mediziner Michael Vogeser ist Professor am Institut für Laboratoriumsmedizin der LMU KLINIK und Vorsitzender der Ad-hoc Kommission IVD der AWMF. Der in München lehrende Arzt ist auch Mitglied der DGKL, wo er sich im Bereich klinische Massenspektrometrie einsetzt. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt seit über 20 Jahren in der Translation massenspektrometrischer Analysetechniken in die Routinediagnostik.

    Herr Vogeser, Sie setzen sich seit längerer Zeit für die Etablierung der Massenspektrometrie (MS) in der Routine-Labordiagnostik ein. Warum glauben Sie, dass die MS sich jenseits der Forschung in der medizinischen Analytik etablieren wird?

    Die Massenspektrometrie – oder allgemeiner: Verfahren zur Molekülmassen-spezifischen Detektion – bieten wesentliche Dimensionen, die die bisher konventionellen Routinetechniken in der Labordiagnostik so nicht bieten…

    …als da wären?

    Die extrem hohe Detektions-Spezifität, die Möglichkeit, im Prinzip viele hundert Substanzen simultan in einer Analyse zu quantifizieren. Zudem ein Profiling, auch als Grundlage für eine KI-gesteuerte Auswertung – sowie die extrem hohe Zuverlässigkeit und analytische Robustheit durch das Prinzip der Stabilisotopen-Verdünnung. Die MS ist praktisch für alle biologischen Substanzen, und zwar unabhängig von ihren jeweiligen molekularen Eigenschaften , einsetzbar.

    Klingt spannend, erinnert aber sehr stark an Grundlagenforschung. Dabei ist doch die MS ein wichtiger Bestandteil der Medizin geworden, oder liegen wir da falsch?

    In der Tat hat die MS schon seit Jahrzehnten ihre Anwendungsfelder in spezialisierten Diagnostiklaboren gefunden, insbesondere beim Screening auf Stoffwechselerkrankungen, in der Arzneimittelspiegelmessung, der klinischen Toxikologie und zur Bestimmung von Hormonen. Durch technische Neuerungen zeichnet sich jedoch nun eine sehr viel breitere Anwendung der Technik ab, und dies vor allem auch in nicht speziell ausgerichteten klinischen Laboratorien.

    Medizinische Massenspektrometrie ist ein sehr komplexes Gebiet. Direkt gefragt: Wie kann man dem Allgemeinmediziner das Potenzial der Technologie überhaupt näherbringen?

    Der typische Allgemeinmediziner ist hier nicht so der Show-Case. Eher der Infektiologe, der seine Antibiotika-Therapie bei schwerstkranken Patienten optimieren kann, der Psychiater, der seine Therapie überwachen kann, oder der Endokrinologe, der auch in schwierigen Konstellationen sehr zuverlässige Werte für eine synoptische Diagnostik geliefert bekommt.

    Unsere eigene Tochter ist 25 und frisch gebackene Assistenzärztin. Irgendwann berichtete sie, nach Ende der chemischen Praktika im 2. Semester Freudensprünge gemacht zu haben. Wie sieht es mit dem Nachwuchs im Bereich der klinischen Massenspektrometrie aus?

    Freudensprünge, weil sie es hinter sich hatte, oder weil sie das Fach so feierte? Vorklinik-Chemie oder Labormedizin?

    Wir beantworten die Frage gern: Es ging um die Vorklinik, jenen Studienabschnitt also, bei dem sich viele Studierende noch gar nicht auf die medizinischen Anwendungen der MS fokussieren….

    …was verständlich ist. Das kommt erst sehr viel später. Sich für das Gebiet der Labormedizin zu interessieren lohnt jedoch allemal. Gegenwärtig erfordert der sichere und zuverlässige Einsatz der MS in der Routinediagnostik ein sehr spezifisches Know-how, was eine wesentliche Limitierung der Verwendung darstellt. Das inter-professionelle Kompetenzmanagement stellt die Labore noch vor sehr große Herausforderungen. In dieser Hinsicht ist von neuen, viel einfacher zu handhabenden Analysensystemen ein grundlegender Wandel hin zu einer breiten Anwendung zu erwarten.

    Der Trend geht also in Richtung KISS? Keep it simple? Laufen wir dann nicht Gefahr, Neues zu wenig erkunden zu wollen?

    Keinesfalls. Die komplexen Anwendungen in spezialisierten Laboren stellen echte Innovationsmotoren dar. Hier geht es für eine Fachgesellschaft darum, Vernetzung und Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Das wird in Deutschland seit 2005 wesentlich von der DGKL-Sektion Klinische Massenspektrometrie geleistet, beispielsweise durch die jährlichen Symposien – etwa Anfang Dezember 2024 in Kloster Banz.

    Was sind für Sie persönlich die Highlights der diesjährigen Analytica Conference ?

    Prof. Christa Cobbaert aus Leyden hat unserer Community immer wieder neue Perspektiven der MS-Anwendung aufgezeigt; ihr Vortrag zu Analytik des kardialen Risikomarkers Lp(a) war faszinierend – wie auch die Übersicht über Perspektiven von Lipidomics als innovatives Anwendungsfel der Massenspektrometire von Frau Dr. Anne Bendt aus Singapur

    Herr Vogeser, vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview.

    Die Fragen stellten die DGKL-Nachrichtenredakteure Marita Vollborn und Vlad Georgescu.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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