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26.03.2008 16:00

Durchwachsenes Reformzeugnis für die Politik

Ursula Zitzler Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Stuttgart

    Der deutsche Sozialstaat steht permanent unter Reformdruck. Vor allem der demographische Wandel, die Globalisierung und die Lage auf dem Arbeitsmarkt drängen die Politik zum Handeln. Viele Reformwege wurden in den letzten Jahren in der Politik diskutiert, einige größere Projekte auch umgesetzt. Unter der rot-grünen Bundesregierung hatte der Umbau des Renten- und Gesundheitssystems begonnen. Die folgende große Koalition hat sich im Bereich der sozialen Sicherung viel vorgenommen. Bei begrenztem finanziellem Spielraum der Regierung wirken sich Reformen nicht unbedingt als Geldgeschenke für die Bürger aus. Fehlt dann die Reformakzeptanz in der Bevölkerung, liegt bei Wahlen eine Bestrafung durch die enttäuschte Wählerschaft nahe. Die Reformbereitschaft der deutschen Bevölkerung in den Bereichen Rente, Gesundheit und Familie untersuchen Sozialwissenschaftler der Universität Stuttgart in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt. Erste Ergebnisse einer bundesweiten, repräsentativen Bevölkerungsumfrage innerhalb dieses Projekts hat das Forscherteam um Prof. Oscar W. Gabriel am 26. März der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Befragung von rund 1.800 Bürgern aus Ost- und Westdeutschland wurde im Dezember 2007 von Infratest-Dimap durchgeführt.

    Überzogene Erwartungen?
    In der Politik wird heute vermehrt über die Sanierung der Bundes- und Länderhaushalte diskutiert. Die Bürger hingegen erwarten eine Ausweitung der Staatsausgaben vor allem in den Bereichen Bildungswesen, gesundheitliche Versorgung, Familie und Absicherung im Alter. "Man kann von einer Kluft zwischen den Erwartungen der Bürger und den beschlossenen Maßnahmen sprechen. Häufig sind dabei die Erwartungen ostdeutscher Bürger an sozialpolitisches Handeln höher als im Westen", stellt Prof. Gabriel fest.

    Zweifel über eigene Absicherung im Alter
    Reformbewertungen zum Thema Sozialstaat lassen sich nicht isoliert von der Zufriedenheit der Bürger mit der eigenen Absicherung durch staatliche Politik betrachten. Über zwei Drittel der Bürger halten sich bei Krankheit für gut oder gerade ausreichend gesichert. "Die Debatte um zunehmende Altersarmut heizen folgende Zahlen an: Nur ein Viertel der Befragten sieht sich in Bezug auf ihr Einkommen im Alter für gut gesichert", hebt Gabriel hervor. Welche politischen Parteien sind aus Sicht der Bevölkerung am ehesten dazu in der Lage, Probleme der sozialen Sicherung zu bewältigen? Ein Großteil der Bevölkerung traut der Union am ehesten zu, Probleme in den Bereichen gesundheitliche Versorgung, Renten und Pensionen und der Familienpolitik lösen zu können - mit knappem, bei der Familienpolitik aber etwas deutlicherem Vorsprung vor der SPD. Jedoch trauen auch viele Bürger gar keiner Partei dort die Problemlösung zu.

    Klare Vorstellungen von Reformrichtung und wichtigen Reformgrundsätzen
    Über zwei Drittel der Befragten sind der Ansicht, dass die jüngsten Reformen des Gesundheits- und Rentensystems in die falsche Richtung gehen, wobei die Kritik aus den neuen Bundesländern noch deutlicher ausfällt. Dagegen sind die meisten Bürger mit der Richtung in der Familienpolitik zufrieden. In diesem Politikfeld werden die aktuellen Reformen auch am wenigsten mit persönlichen Nachteilen in Zusammenhang gebracht. Die Politik fordert häufig, dass bei sozialpolitischen Reformen das Prinzip der Eigenverantwortung gestärkt werden sollte. "Die Bürger unterstützen dieses Prinzip zwar begrenzt; nach ihrer Ansicht sollte aber der Grundsatz der gerechten Verteilung von Lasten bei weiteren Reformen eine wichtigere Rolle spielen", erläutert Eva-Maria Trüdinger. Jedoch sei nur eine Minderheit überzeugt, dass die Politik diesen Grundsatz umsetzt. Entsprechend empfindet nur knapp ein Viertel der Befragten die Gesellschaftsordnung in Deutschland als gerecht, in den neuen Bundesländern sogar nur etwa jeder Neunte. Schlechte Noten erhält die Politik auch für die Art und Weise, wie Reformen kommuniziert werden: Aus Sicht der Bürger erfüllen Politiker nicht den mehrheitlichen Wunsch nach einer verständlichen Darstellung von Reformprogrammen.

    Gute Noten für das Elterngeld, ostdeutsche Zweifel am Betreuungsgeld
    Bei der Beurteilung konkreter Reformprojekte gibt es erhebliche innerdeutsche Differenzen. Befürworter des "Betreuungsgeldes" (für Eltern, die Kinder zuhause betreuen) kommen zu großen Teilen aus den alten Bundesländern. Eine einheitliche Grundrente wird überwiegend in Ostdeutschland befürwortet. In ganz Deutschland wird das Elterngeld als Erfolgsprojekt angesehen.

    Zwischen Politik und gesellschaftlichen Gruppen, oftmals auch zwischen Ost- und Westdeutschen herrscht teilweise große Uneinigkeit bei der Bewertung verabschiedeter Reformen und künftiger Reformprojekte in den Bereichen Gesundheit, Rente und Familie. Zu den Ursachen dieses Meinungsbildes soll das Forschungsprojekt an der Universität Stuttgart in den nächsten Monaten empirisch fundierte Erkenntnisse liefern.

    Weitere Informationen und Grafiken: Prof. Oscar W. Gabriel und Eva-Maria Trüdinger, Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung Politische Systeme und Politische Soziologie, Tel. 0711/685-83430, -83668; e-mail: oscar.gabriel@sowi.uni-stuttgart.de, eva-maria.truedinger@sowi.uni-stuttgart.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-stuttgart.de/soz/avps/forschung/trust.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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