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12.03.2013 11:48

Hoffnung für Kinder mit Leberversagen auf dem Boden einer „idiopathischen Leberfibrose

Philipp Kressirer Kommunikation und Medien
Klinikum der Universität München

    LMU-Mediziner entdecken eine neue primäre Immundefekterkrankung im Gen des Interleukin-21 Rezeptors. Diese Mutation führte dazu, dass eine wichtige Antenne des Immunsystems fehlt, der IL21-Rezeptor.

    Diagnosen und Therapien für Kinder und Jugendliche mit seltenen Erkrankungen zu entwickeln, ist eine der Herausforderungen, der sich das Team von Kinderärzten, Wissenschaftlern und Labormitarbeitern am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU tagtäglich stellt. Damit helfen sie nicht nur den Betroffenen, sondern tragen auch zur Weiterentwicklung der Medizin bei. Nachfolgendes Beispiel soll Einblick in eine Forschungswelt geben, in der trotz aller Fortschritte und Hoffnungen auch schwere Schicksalsschläge verkraftet werden müssen.

    Sabrina (Name geändert) war neun Jahre alt, als sie zu einer Lebertransplantation überwiesen wurde. Unerträglicher Juckreiz und Bauchschmerzen quälten das zarte und minderwüchsige Mädchen. Ihre Ärzte hatten eine sogenannte “idiopathische Leberfibrose” diagnostiziert. Die Ursache der Leberentzündung war unklar, die Vernarbungen in der Leber führten zu einem Leberversagen. Ihr Bruder hatte eine ähnliche Erkrankung. Er hatte bereits eine Lebertransplantation erhalten, entwickelte aber schwere Komplikationen und starb an einem Multi-Organversagen. Ein Ärzte-Team um Professor Christoph Klein, Direktor der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital des Klinikums der Universität München (LMU), gab sich mit der Diagnose nicht zufrieden: „Die behandelnden Ärzte taten alles, um Sabrina und ihrem Bruder zu helfen. Doch die Medizin hat Grenzen. Unsere Aufgabe ist es, über diese Grenzen hinauszugehen und die Ursache von Erkrankungen zu erforschen, damit neue Behandlungsmöglichkeiten entwickelt werden können”. Es dauerte über zwei Jahre, bis die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Ziel führten. Die Ärzte untersuchten alle Gene in Sabrinas Genom und fanden einen kleinen, aber verheerenden „Webfehler“ im Gen des Interleukin-21 Rezeptors. Diese Mutation führte dazu, dass eine wichtige Antenne des Immunsystems fehlt, der IL21-Rezeptor. Dieser Defekt führte zu einem schwerwiegenden Problem in Sabrinas Immunsystem, so dass keine „Gedächtnis-Zellen” entstehen konnten.

    Die Vernarbung in der Leber wurde durch eine chronische Kryptosporidieninfektion*. Kryptosporiden rufen bei gesunden Menschen lediglich eine selbst-limitierende Durchfallerkrankung hervor. Bei Sabrina allerdings war das Immunsystem nicht in der Lage, diese Infektionserreger zu eliminieren, so dass sich eine fatale Entzündung in der Leber entwickelte. Die Entdeckung dieser neuen Immundefekterkrankung zeigt eine neue Therapiemöglichkeit auf: Immunzellen können durch eine Blutstammzelltransplantation ersetzt werden, dadurch ist es möglich, das Immunsystem zu heilen. Allerdings war Sabrinas Leber bereits zu schwach, um diese Therapie zu ertragen. Sie starb an ihrer Erkrankung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten die Ärzte sie retten können, wenn der IL21R-Defekt rechtzeitig diagnostiziert worden wäre. Weltweit hoffen Ärzte und Wissenschaftler nun, dass weitere Kinder von dieser Entdeckung direkt profitieren können.

    Nach aktuellen Schätzungen gibt es allein in Deutschland ca. 100.000 Menschen mit angeborenen Immundefekten, viele sind nur unzureichend charakterisiert. Wie viele Kinder und Jugendliche mit einem IL-21R-Defekt auf der ganzen Welt leben, vermag niemand zu sagen. Allerdings haben die Ärzte in München dank einer guten internationalen Vernetzung bereits zwei Geschwister mit derselben Erkrankung in den USA diagnostiziert. Beide Kinder sollen in Kürze durch eine Blutstammzelltransplantation behandelt werden. „Wir hoffen sehr, dass unsere Forschungsarbeiten dazu beitragen, dass diese Kinder mit einer sehr seltenen Erkrankung nun Hoffnung auf Heilung haben können”, sagt Daniel Kotlarz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Dr. von Haunerschen Kinderspital und einer der Erstautoren der wissenschaftlichen Publikation im Journal of Experimental Medicine.

    Originalpublikation:
    „Loss-of-function mutations in the IL-21 receptor gene cause a primary immunodeficiency syndrome“

    The Journal of Experimental Medicine, 11.03.2013
    DOI: 10.1084/jem.20111229
    www.jem.org/cgi/doi/10.1084/jem.20111229

    Ansprechpartner:
    Prof. Christoph Klein
    Tel: 089/5160-7701
    E-Mail: christoph.klein@med.uni-muenchen.de

    Daniel Kotlarz
    Tel: 089/5160-7701
    E-Mail: daniel.kotlarz@med.uni-muenchen.de

    * Kryptosporidien: Einzellige Parasiten, die meist über verunreinigtes Wasser auf den Menschen übertragen werden und zu gastrointestinalen Erkrankungen mit Durchfall führen können. Kryptosporidien sind weltweit verbreitet und extrem resistent.

    Klinikum der Universität München
    Im Klinikum der Universität München (LMU) sind im Jahr 2011 an den Standorten Großha-dern und Innenstadt 466.909 Patienten ambulant, teilstationär und stationär behandelt worden. Die 45 Fachkliniken, Institute und Abteilungen sowie 35 interdisziplinäre Zentren verfügen über mehr als 2.200 Betten. Von insgesamt über 10.000 Beschäftigten sind rund 1.800 Mediziner und 3.400 Pflegekräfte. Das Klinikum der Universität München hat im Jahr 2011 rund 75 Millionen Euro an Drittmitteln verausgabt und ist seit 2006 Anstalt des öf-fentlichen Rechts.

    Gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität ist das Klinikum der Universität München an fünf Sonderforschungsbereichen der DFG (SFB 455, 571, 596, 684, 914), an drei Transregios (TR 05, 127, 128), zwei Forschergruppen (FOR 535, 809) sowie an zwei Graduiertenkollegs (GK 1091, 1202) beteiligt. Hinzu kommen die vier Exzellenzcluster „Center for Integrated Protein Sciences“ (CIPSM), „Munich Center of Advanced Photonics“ (MAP), „Nanosystems Initiative Munich“ (NIM) und „Munich Cluster for Systems Neurology“ (SyNergy) sowie die Graduiertenschulen „Graduate School of Systemic Neurosciences“ (GSN-LMU) und „Graduate School of Quantitative Biosciences Mu-nich (QBM)“.


    Weitere Informationen:

    http://www.klinikum.uni-muenchen.de


    Bilder

    LMU-Forscher Daniel Kotlarz
    LMU-Forscher Daniel Kotlarz
    Foto: LMU-Klinikum München
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    Anhang
    attachment icon Originalpublikation der Forschungsergebnisse

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    LMU-Forscher Daniel Kotlarz


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