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20.05.2008 11:38

Ethikpreis für Bayreuther Forschungen zu dem Auswirkungen der Fallpauschalen im Krankenhaus

Jürgen Abel M. A. Pressestelle
Universität Bayreuth

Für seine Forschungen und Publikationen zu den Auswirkungen der Fallpauschalen im Krankenhaus auf die Arbeit und das Personal erhält der Leiter der Arbeitsstelle für Theologische Ethik und Anthropologie an der Universität Bayreuth, Privatdozent Dr. Arne Manzeschke, den ersten Ethikpreis der Deutschen Wirtschaftsgilde. Der Bayreuther Wissenschaftler hatte u.a. herausgefunden, dass die durch Fallpauschalen hervorgerufene "Ökonomisierung wie Industrialisierung" des klinischen Alltags zu Zielvorstellungen wie Gewinnorientierung und Effizienz führten, die sich als gegenläufig zu den herkömmlichen Zielen des Krankenhausbetriebes erwiesen.

Bayreuth (UBT). Für seine Forschungen und Publikationen zu den Auswirkungen der Fallpauschalen im Krankenhaus auf die Arbeit und das Personal erhält der Leiter der Arbeitsstelle für Theologische Ethik und Anthropologie, Privatdozent Dr. Arne Manzeschke, den ersten Ethikpreis der Deutschen Wirtschaftsgilde. Der mit 2.500 € dotierte und von der Deutschen Wirtschaftsgilde anlässlich ihres 60-jährigen Jubiläums gestiftete und erstmalig vergebene Ethikpreis wird dem Bayreuther Wissenschaftler am 19./20. September in der Evangelischen Akademie Bad Boll im Rahmen eines Festaktes übergeben.
Hintergrund der Forschung des Bayreuther Ethikspezialisten ist das ökonomisch-medizinische Klassifikationssystem DRG (Diagnosis Related Groups / Diagnose bezogene Fallpauschalen), bei dem Patienten anhand ihrer Diagnose und der unternommenen Behandlungen in Fallgruppen klassifiziert werden, die nach dem für die Behandlung erforderlichen ökonomischen Aufwand unterteilt und bewertet sind. Dieses politisch-ökonomische Steuerungssystem und das komplementär dazu gesetzlich vorgeschriebene Qualitätsmanagement (QM) in Krankenhäusern waren 2004 für alle Krankenhäuser verbindlich eingeführt worden und hatten das alte Abrechnungssystem abgelöst, das sich weitgehend auf die Verweilzeiten im Krankenhaus bezogen hatte.
Die Ergebnisse seiner sozialwissenschaftlichen Untersuchungen hatte Dr. Manzeschke als sozialethische Bewertungen in mehreren Thesen formuliert - im Internet einsehbar unter: http://www.ethik.uni-bayreuth.de/diakonie_oekonomie.html - und war u. a. zu dem Ergebnis gekommen, dass die durch DRG hervorgerufene Veränderungen nicht sinnvoll thematisiert werden können, solange man ihr Gegenstück und Korrektiv, die Verpflichtung der Krankenhäuser zu einem Qualitätsmanagement (QM), außer Acht lässt. Die durch DRG hervorgerufene "Ökonomisierung wie Industrialisierung" des klinischen Alltags führten zu Zielvorstellungen wie Gewinnorientierung und Effizienz, die sich als gegenläufig zu den herkömmlichen Zielen des Krankenhausbetriebes erwiesen.
Hinsichtlich der Auswirkungen auf das Krankenhauspersonal werde der Blick auf die eigene Arbeit dahingehend verändert, heißt es in den Thesen weiter, dass sowohl in der Pflege wie im Ärztestand viele ihren eigenen Anspruch, sich dem kranken Menschen helfend und heilend zuzuwenden, mit den Anforderungen des Berufsalltags schwer in Einklang zu bringen wissen. Wichtige Ressourcen würden im aufwändigen Dokumentationsprozess vergeudet, das Quantum an Zuwendung zu den Patientinnen und Patienten sinke hingegen. Es ließen sich Tendenzen zur Deprofessionalisierung und zur Demotivierung feststellen, heißt es weiter, die sich unter dem Aspekt einer qualitativ guten Gesundheitsversorgung als problematisch herausstellen würden.
DRG- und QM-Prozesse belasteten die Mitarbeitenden mit zusätzlichen Informationen und erfordere eine komplexere Kommunikation. Die jedoch benötige nicht vorhandene Zeit. Die Beschleunigung und Verdichtung der Arbeit reduziere die mitmenschlichen Kontakte sowohl zwischen den Mitarbeitenden, aber auch besonders zwischen dem Klinikpersonal und den Patienten, wird in der Studie kritisiert. Zuwendung und Fürsorge bekäme nicht die nötige Zeit. Der ökonomisch induzierte Stress mindere die Qualität der Leistungen, heißt es in der Studien weiter. Das DRG-Regime unterlaufe systematisch die von Krankenhauspersonal wie Patienten betonte Bedeutung von menschlichen Kontakten, hinreichender Kommunikation und den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen.
Die Studie stellt weiter fest, dass eine immer stärkere technisch-administrative Aufrüstung im Krankenhaus zu beobachten sei, "die das sorgende Personal immer mehr von den umsorgten Personen distanziert". Als besonders dramatisch erweise sich ein Zug der Ökonomisierung des Gesundheitswesens, was anhand der DRG-Systematik besonders plastisch und augenfällig werde: "Der Patient wird zum Produktionsfaktor, der möglichst gewinnbringend eingesetzt werden muss".
Als fahrlässig bezeichnet die Studie, dass eine vom Gesetzgeber verbindlich vorgeschriebene Begleitforschung zu den Auswirkungen der DRG mehr als vier Jahre nach dem Start noch nicht begonnen wurde. Dass die Initiierung der Forschung sowie die Verteilung von Forschungsgeldern an eine Organisation der Selbstverwaltung im Gesundheitssystem vergeben wurde, könne den Gesetzgeber nicht von seiner genuin politischen Steuerungsaufgabe entbinden, wird weiter kritisiert. Es sei unverständlich und problematisch, dass sich der Staat in seiner steuernden Rolle so sehr zurücknehme bzw. die entsprechenden Korporationen nur ein geringes Interesse an einer Evaluation der Versorgungsstrukturen hätten.
Die Forschungsergebnisse Dr. Manzeschkes haben ihn zu einem gefragten Experten gemacht. So hat er etwa Ende April in Bern bei der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin in der Schweiz über seine Forschungen berichtet. Die Schweiz hat nämlich das deutsche DRG System gekauft und beabsichtigt, es landesweit 2012 einzuführen. Insofern ist man sehr daran interessiert, im Vorfeld Erfahrungen aus Deutschland zur Kenntnis zu nehmen und den gesundheitspolitischen Diskurs in der Schweiz mitzugestalten.

Kontakt

PD Dr. theol. habil. Arne Manzeschke
Akademischer Oberrat und Leiter der
Arbeitsstelle für Theologische Ethik und Anthropologie
Kulturwissenschaftliche Fakultät
Universität Bayreuth
Universitätsstraße 30 o 95447 Bayreuth
Gebäude GW II o Raum 1.13
Tel: +49 (0)921 - 55 42 25
Fax: +49 (0)921 - 55 84 41 56
E-Mail: Arne.Manzeschke@uni-bayreuth.de


Weitere Informationen:

http://www.ethik.uni-bayreuth.de/diakonie_oekonomie.html Infomaterial zu den Untersuchungen


Bilder

Träger des 1. Ethikpreises der Deutschen Wirtschaftsgilde: Der Bayreuther Privatdozent Dr. Arne Menzeschke
Träger des 1. Ethikpreises der Deutschen Wirtschaftsgilde: Der Bayreuther Privatdozent Dr. Arne Menz ...
UBT-Pressestelle - Bild zur Veröffentlichung frei
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Ergänzung vom 21.05.2008

Der Dativ ist dem Akkusativ bekanntlich sein Tod, der sich in diesem Fall durch einen Schreibfehler in der Überschrift äußerte. Dort muss es natürlich richtig heißen:
Ethikpreis für Bayreuther Forschungen zu den Auswirkungen der Fallpauschalen im Krankenhaus


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Personalia
Deutsch


 

Träger des 1. Ethikpreises der Deutschen Wirtschaftsgilde: Der Bayreuther Privatdozent Dr. Arne Menzeschke


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