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01/17/2006 11:22

Philip Morris Forschungspreis 2006 für LMU-Professor - Chemiker Thomas Carell untersucht Reparaturen am Erbgut

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Professor Thomas Carell, Lehrstuhl für Organische Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erhält in diesem Jahr den renommierten Forschungspreis der Philip Morris Stiftung. Der Chemiker wird für die von ihm entwickelte "Synthese geschädigter Oligonukleotide zur Aufklärung von Reparatur- und Mutagenitätsmechanismen" ausgezeichnet. Der Philip Morris Forschungspreis wird jährlich vergeben und ist mit 100.000 Euro dotiert. In diesem Jahr teilen sich vier Forscher das Preisgeld. Carell wird ausgezeichnet für ein Verfahren zur Analyse der genauen Umstände, Möglichkeiten, aber auch der Grenzen zellulärer Reparaturmechanismen, die Schäden am Erbgut DNA beheben. Damit können die betreffenden Vorgänge direkt am Erbmolekül beobachtet werden und sind erstmals für herkömmliche Untersuchungsmethoden zugänglich. "Erste Ergebnisse dieser neuen Wege sind unter anderem die Möglichkeit, bestimmte Reparaturenzyme gezielt zu blockieren, die Entwicklung transgener Pflanzen, die weniger krankheitsanfällig sind, neue Pflanzenschutzmittel oder sogar Teststreifen, mit denen sich einzelne genetische Anlagen eines Menschen unkompliziert ermitteln lassen", begründet die Philip Morris Forschungsstiftung ihre Entscheidung.

    Carell wurde 1966 in Herford geboren. Er studierte Chemie an den Universitäten Münster und Heidelberg. Als Post-Doc arbeitete er zwei Jahre am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA. Danach ging er als unabhängiger Gruppenleiter an die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) in Zürich, wo er 1999 habilitierte. Bereits ein Jahr später erhielt er einen Ruf als Professor für Organische Chemie an die Philipps-Universität in Marburg. 2004 wechselte Carell an die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, nachdem er ein Jahr vorher als jüngster Träger in diesem Jahr die höchste Forschungsauszeichnung in Deutschland, den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, erhielt. International ist die Arbeitsgruppe Carell eng mit Forschern in den USA und Frankreich sowie mit israelischen Kollegen verbunden.

    Carells Forschung beschäftigt sich vor allem mit Reparaturprozessen an der DNA. Das extrem lange und fadenförmige Nukleinsäure-Molekül trägt die genetische Information eines Organismus in der Sequenz seiner Bausteine. Schwere Krankheiten können unter anderem dann entstehen, wenn es zu Fehlern in dieser Abfolge kommt, das DNA-Molekül bricht oder andere Schäden auftreten. Bei der Replikation etwa, also der Synthese neuer, identischer DNA-Moleküle, werden immer wieder falsche Bausteine eingebaut. Auch verschiedene Substanzen, Viren, Bakterien und das Sonnenlicht können schädlich auf das Erbmolekül wirken. So kommt es sehr häufig zu Fehlern in der DNA-Sequenz oder anderen Veränderungen, die meist durch verschiedene zelluläre Reparaturmechanismen behoben werden. Aber wie, wann und wann diese lebensnotwendigen Vorgänge nicht ablaufen, ist sehr schwer zu untersuchen. Denn viele der möglichen DNA-Schäden werden durch die üblichen Untersuchungsmethoden selbst wieder verändert.

    Wie stark die DNA tatsächlich angegriffen wird, kann Carell ganz einfach verdeutlichen. "Pro Tag kommt es etwa zu 40.000 Schädigungen der DNA - pro Zelle!", berichtet er. Diese Zahl alleine zeigt schon, wie effizient die körpereigenen Reparatursysteme sein müssen: Immerhin überleben wir, meist sogar ohne schwerwiegenden Erkrankungen wie etwa Krebs. Problematisch wird es dann, wenn ein Fehler in der DNA eines der Reparatursysteme trifft. "Dann regnet es einfach durch das Dach, weil die Dachdecker alle weg sind, die sonst einzelne defekte Ziegel Stück für Stück gleich wieder ersetzen", erklärt Carell. Je älter ein Mensch wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass erst Reparatursysteme durch DNA-Schäden stillgelegt werden, und dann andere Schäden im Erbgut etwa unkontrolliertes Wachstum auslösen. Ohne beständige Ausbesserung der DNA könnte nicht einmal eine vollständige und korrekte Zellteilung ablaufen, und schon gar nicht ein Mensch überleben.

    Wie wichtig diese Vorgänge sind, ist seit langem bekannt. Trotzdem entzogen sich die zugrunde liegenden Mechanismen ihrer vollständigen Entschlüsselung. Carell gelang es nun, diese Prozesse der Analyse zugänglich zu machen, indem er defekte DNA selbst schuf. Er und seine Mitarbeiter synthetisierten ein kurzes DNA-Stück, das bereits einen genau definierten Fehler trug. Dieses Ausgangsmolekül wird dann beispielsweise mit dem Enzym zusammengebracht, das in der Zelle für die DNA-Replikation zuständig ist. In einer internationalen Kooperation gelang es Carell und seinen Mitarbeitern, das Nukleinsäurestück mit Reparaturenzymen zu kristallisieren. Dadurch wurde der Komplex zugänglich für eine detaillierte Untersuchung: Die Forscher konnten die Wanderung des Enzyms und seine Reaktion auf den DNA-Schaden Schritt für Schritt dokumentieren. Dies soll auch ein Schritt sein zur Entwicklung einer gezielten Krebstherapie. Denn Carell will den Reparaturmechanismus der Tumorzellen gezielt herunterfahren, um sie leichter angreifbar durch Chemotherapeutika zu machen. Die von ihm entwickelten DNA-Stücke mit eingebautem Fehler haben sich bereits als perfekte Bremsen für die Reparatur erwiesen. "Wenn man weiß, wie Reparatur abläuft, weiß man auch, wie man schaden kann", meint Carell. "Wir arbeiten deshalb gezielt an Substanzen, die im Zellkern Schaden anrichten."

    Professor Dr. Thomas Carell ist der jüngste in einer Reihe von Philip Morris Forschungspreisträgern an der LMU. Im Jahr 2003 wurden Professor Harald Weinfurter und sein Mitarbeiter Dr. Christian Kurtsiefer für ihre Arbeit auf dem Gebiet der Quantenkryptographie ausgezeichnet.

    2001 ging der Preis an den Biologen Professor Dr. Ralf Baumeister. Ein Jahr zuvor wurde der bereits 1998 geehrte Physiker Professor Dr. Theodor W. Hänsch, Nobelpreisträger des Jahres 2005, zum zweiten Mal ausgezeichnet. Er erhielt den Preis zusammen mit seinen Mitarbeitern Dr. Tilmann Esslinger und Professor Dr. Immanuel Bloch. 1999 ging die Auszeichnung ebenfalls an zwei Physiker, nämlich Professor Dr. Jochen Feldmann und Professor Dr. Ulrich Lemmer. 1993 wurden Professor Dr. Christoph Bräuchle für seine Arbeit an optischen Speichermaterialien und Professor Dr. Wolfgang Heckl für seine Forschung auf dem Gebiet der Nanotechnologie geehrt. 1983 schließlich erhielt Professor Dr. Wolfgang Schröder die Auszeichnung für seine Biotopforschung. (suwe)

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Thomas Carell
    Lehrstuhl für Organische Chemie
    Department für Chemie und Pharmazie der LMU
    Tel: 089 / 2180-77750
    Fax: 089 / 2180-77756
    E-Mail: Thomas.Carell@cup.uni-muenchen.de
    www.cup.uni-muenchen.de/oc/carell

    Für Fragen zum Forschungspreis:

    Pressebüro Forschungspreis der Philip Morris Stiftung
    Tel: 089 / 59042-195
    Fax: 089 / 59042-100
    E-Mail: philipmorris.stiftung@pmintl.com


    More information:

    http://www.cup.uni-muenchen.de/oc/carell


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    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Personnel announcements, Transfer of Science or Research
    German


     

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