idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
14.09.2014 19:00

Nature Medicine: Mit Kombitherapie Tumorwachstum verzögern – mehr Überlebenszeit bei Leberkrebs

Dr. Ellen Katz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Tübingen

    Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Tübingen ist es gelungen, einen wichtigen Signalweg beim Wachstum von Lebertumoren zu identifizieren und zu blockieren und damit das Tumorwachstum signifikant zu verzögern. Leibniz-Preisträger Prof. Dr. med. Lars Zender und sein Team konnten zeigen, dass die Wirksamkeit des Leberkrebs-Medikamentes Sorafenib, die mit zunehmender Therapiedauer leider sinkt, durch die Blockade des neu identifizierten Genproduktes deutlich gesteigert und verlängert werden kann. Eine Studie mit Leberkrebspatienten soll baldmöglichst zeigen, inwieweit sich die Überlebenszeit der Patienten dadurch verlängert.

    Leberkrebs ist schwierig zu bekämpfen. Nicht alle Tumoren können durch eine Operation oder die Zerstörung, beispielsweise durch Hitze, behandelt werden. Kann der Leberkrebs weder operativ entfernt noch anderweitig vollständig zerstört werden, sind die Patienten auf eine medikamentöse Therapie mit dem Tyrosinkinasehemmer Sorafenib angewiesen. Diese Behandlung kann fortgeschrittenen Leberkrebs nicht heilen, jedoch das Wachstum des Tumors für eine gewisse Zeit zum Stillstand bringen und das Überleben verlängern.

    Die Wirkung des Medikaments Sorafenib beruht darauf, dass es einen Signalweg in der Zelle blockiert. Das Zellwachstum stagniert. Leider ist diese Blockade nicht von Dauer, die Zelle sucht sich – vereinfacht gesagt – einen „Umweg“, um das für das weitere Wachstum nötige Signal auf anderem Weg zu bekommen. Sobald das fehlende Signal durch die „Umleitung“ wieder verfügbar ist, kann der Tumor weiterwachsen. In der Medizin spricht man hierbei von einer Resistenz gegen das Medikament, es verliert quasi seine Wirkung. Für Patienten mit Leberkrebs bedeutet dies, dass der Tumor nach einer gewissen Zeit wieder zu wachsen beginnt.

    Das Tübinger Forscherteam mit den Erstautoren der Studie Dr. Ramona Rudalska und Dr. Danel Dauch konnte nun mit einer bestimmten Technologie (RNA Interferenz* Screens) den Teil der Erbsubstanz identifizieren, der der Zelle den „Umweg“ erlaubt. Ebenfalls konnte mittels RNA-Interferenz* im Labor gezeigt werden, dass die Blockade des Zielgens (Mapk14) bzw. dessen Genproduktes zu einer deutlich verbesserten und verlängerten Wirkung von Sorafenib führt, ebenso wie zu einer verlängerten Überlebenszeit von Mäusen mit Leberzellkarzinomen.

    Das Zielgen, das identifiziert wurde und gehemmt werden sollte, war in Tübingen kein Unbekanntes. Professor Dr. Stefan Laufer vom Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen beforscht seit langem Proteinkinase-Inhibitoren und hat mit ca. 4000 eigenen Substanzen die wohl größte akademische Wirkstoffbibliothek in Deutschland auf diesem Gebiet. Glücklicherweise waren speziell für p38 MAPK (Mapk 14) die bisher selektivsten Wirkstoffe enthalten. Diese sind bereits umfassend präklinisch untersucht und stellen damit hoffnungsvolle Entwicklungskandidaten dar..

    Durch eine Kombination von Sorafenib und den Inhibitoren gegen Mapk14 konnte das Tumorwachstum sowohl im Mausmodell** als auch in Zellkulturen menschlicher Leberzellkarzinome deutlich länger gestoppt werden. Für Patienten mit Leberkrebs erhoffen sich die Experten, dass diese Kombinationstherapie den Tumor länger am Wachsen hindert, d.h. die Überlebenszeit sich verlängert.

    Professor Stefan Laufer: „So fanden präklinische Wirkstoffforschung und klinische Anwendung nahezu perfekt zusammen, im besten Sinne „translational“.“
    Krebsspezialist Professor Dr. med. Lars Zender: „Klinisch häufige Tumore wie z.B. Dickdarmkrebs oder Leberkrebs stellen immer noch eine große Herausforderung für uns Ärzte dar. Wir forschen daran, neue Therapiekonzepte zu entwickeln, die eine nachhaltigere Tumorkontrolle bei guter Lebensqualität auch bei aggressiven Karzinomen ermöglichen und somit die Überlebenszeit verlängern. Dazu wollen wir das neue Therapiekonzept so schnell wie möglich in einer klinischen Studie überprüfen und bei Erfolg den Patienten anbieten. Aufgrund der translationalen*** Ausrichtung der Universität Tübingen und der exzellenten Strukturen im Rahmen des Südwestdeutschen Tumorzentrums ist Tübingen der ideale Ort um entsprechende klinische Studien möglichst bald zu beginnen.“

    * RNA-Interferenz - Krebsgene im lebenden Organismus gezielt untersuchen

    Die RNA-Interferenz ist eine Methode, die es erlaubt, Gene gezielt stillzulegen ohne sie zu manipulieren. Eine Anwendung der Technologie in vivo, d.h. im lebenden Organismus, ist besonders in der Tumorforschung entscheidend, da Tumore komplexe dreidimensionale Strukturen mit besonderer Gefäßversorgung sind, die auch mit dem Immunsystem des Wirts interagieren. Während Untersuchungen in Zellkulturen häufig mit Fehlern behaftet sind, ist es ein großer Vorteil, RNA-Interferenz Untersuchungen direkt im lebenden Organismus durchführen zu können. Zusammen mit nur wenigen anderen Laboren weltweit ist das Labor von Prof. Zender in der Lage, sogenannte RNA Interferenzscreens zur direkten Identifizierung neuer Krebsgene in vivo in der Maus durchzuführen.

    ** Mausmodelle des Leberzellkarzinoms

    Für wissenschaftliche Studien in der Krebsforschung werden Tumor-Mausmodelle benötigt, welche das Verhalten menschlicher Tumore realistisch widerspiegeln. Neue Generationen von Mausmodellen des Leberzellkarzinoms, den sogenannten mosaiken (chimaeren) Tumormodellen erlauben die Erforschung des Leberzellkarzinoms und anderer gastrointestinaler Tumore. Im Gegensatz zu klassischen Transgenen- oder Knockout Mäusen ermöglichen diese speziellen Modelle eine deutlich schnellere und effizientere Entschlüsselung der komplexen Interaktion von Krebsgenen und deren Beitrag zur Tumorentstehung und -progression.

    *** translationale Medizin

    Die translationale Medizin beschäftigt sich mit der Übersetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis, sie ist Schnittstelle zwischen präklinischer Forschung und klinischer Entwicklung. Durch sie soll Forschungswissen in die Behandlung von Patienten eingehen.

    Zur Person

    Prof. Dr. med. Lars Zender ist Oberarzt und Sektionsleiter an der Tübinger Medizinischen Universitätsklinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektionskrankheiten und leitet dort den Bereich für Gastrointestinale (den Magen-Darm-Trakt betreffende) Onkologie. Er forscht an der Entwicklung neuer Methoden zur Behandlung von Tumorerkrankungen des Magen-Darmtraktes und des Leberversagens. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Forschung besteht in der Identifizierung neuer Krebsgene, welche an der Entstehung von Tumoren des Magen-Darm-Trakts beteiligt sind und zur Entwicklung effektiver neuer Tumortherapien genutzt werden können.

    Zender wurde im März 2013 mit dem Deutschen Krebspreis der Deutschen Krebsgesellschaft ausgezeichnet. Seine wissenschaftlichen Arbeiten haben die Tür für ein vertieftes Verständnis zellulärer und molekularer Mechanismen der Tumorentstehung und der damit verbundenen immunologischen Wirtsreaktion weit geöffnet. 2014 erhielt er den mit 2,5 Millionen Euro dotierten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Damit zählt der Tübinger Gastroenterologe zur deutschen Forschungs-Elite, gilt der Leibniz-Preis unter Wissenschaftlern doch als der hochkarätigste Forschungspreis.

    Medienkontakt

    Universitätsklinikum Tübingen
    Medizinische Klinik, Abt. Innere Medizin
    Univ.-Prof. Dr. med. Lars Zender
    Leiter der Sektion für Gastrointestinale Onkologie
    Otfried-Müller-Strasse 10, 72076 Tübingen
    Tel. 07071/29 8 41 13, Fax 07071/29 20 95
    E-Mail: Lars.Zender@med.uni-tuebingen.de

    Titel der Originalpublikation in Nature Medicine

    In vivoRNAi screening identifies a mechanism of sorafenib resistance in liver cancer

    Ramona Rudalska1,16, Daniel Dauch1,16, Thomas Longerich2, Katherine McJunkin3, Torsten Wuestefeld1, Tae-Won Kang1,4, Anja Hohmeyer1,4, Marina Pesic1, Josef Leibold1, Anne von Thun5,6, Peter Schirmacher2, Johannes Zuber7, Karl-Heinz Weiss8, Scott Powers9, Nisar P Malek10, Martin Eilers5,6, Bence Sipos11, Scott W Lowe12,13, Robert Geffers14, Stefan Laufer15& Lars Zender1,4

    Advance Online Publication (AOP) on Nature Medicine's website on 14 September at 1800 London time / 1300 US Eastern Time, doi:10.1038/nm.3679

    1Division of Translational Gastrointestinal Oncology, Department of Internal Medicine I, University of Tuebingen, Tuebingen, Germany.2Institute of Pathology, University Hospital Heidelberg, Heidelberg, Germany.3The Watson School of Biological Sciences, Cold Spring Harbor Laboratory, Cold Spring Harbor, New York, USA.4Translational Gastrointestinal Oncology Group within the German Center for Translational Cancer Research (DKTK), German Cancer Research Center (DKFZ), Heidelberg, Germany 5Comprehensive Cancer Center Mainfranken, University of Wuerzburg, Wuerzburg, Germany6Theodor Boveri Institute, Biocenter, University of Wuerzburg, Wuerzburg, Germany.7Research Institute of Molecular Pathology, Vienna, Austria.8Department of Gastroenterology, University Hospital Heidelberg, Heidelberg, Germany.9Cancer Genome Center, Cold Spring Harbor Laboratory, Cold Spring Harbor, New York, USA.10Department of Internal Medicine I, University of Tuebingen, Tuebingen, Germany.11Institute of Pathology, University of Tuebingen, Tuebingen, Germany.12Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, New York, USA.13Howard Hughes Medical Institute, USA. 14Helmholtz Centre for Infection Research, Braunschweig, Germany.15Department of Pharmaceutical Chemistry, University of Tuebingen, Tuebingen, Germany.16These authors contributed equally to this work.

    Das Universitätsklinikum Tübingen

    Das 1805 gegründete Tübinger Universitätsklinikum (www.medizin.uni-tuebingen.de) trägt als eines der 33 Universitätsklinika in Deutschland zu dem erfolgreichen Verbund von Medizin, Forschung und Lehre bei und hat sich mit seinen 17 Kliniken als eines der führenden Zentren der deutschen Hochschulmedizin etabliert. Ärzte und Wissenschaftler arbeiten Hand in Hand mit dem Ziel, die Ergebnisse der exzellenten Forschung rasch in die klinische Praxis und in die Behandlung der Patienten zu überführen. Dazu werden Krebserkrankungen am Südwestdeutschen Tumorzentrum - Comprehensive Cancer Center Tübingen (CCC) gezielt erforscht und das Universitätsklinikum ist Mitglied des Deutschen Konsortiums für Translationale*** Krebsforschung (DKTK).

    Die Universität Tübingen

    Innovativ. Interdisziplinär. International. Seit 1477. Die Universität Tübingen ist eine von elf deutschen „Exzellenz-Universitäten“. Zu ihren Schwerpunkten gehört die Translationale*** Medizin. Im Rahmen der Exzellenzinitiative wurde die Forschungsplattform „Klinische Forschung“ eingerichtet, sie verknüpft Forschungsschwerpunkte der Medizinischen Fakultät (Neurowissenschaften, Immunologie und Onkologie, Infektionsbiologie, Diabetes und Vaskuläre Medizin) mit den Helmholtz-Gesundheitsforschungszentren Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD), Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZI) und Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK). Die Medizinische Fakultät der Universität Tübingen ist enger Partner des Universitätsklinikums Tübingen und mit über 1000 wissenschaftlichen Mitarbeitern die größte Fakultät der Universität und Ausbildungs- und Forschungsstätte auf höchstem Niveau.


    Weitere Informationen:

    http://www.medizin.uni-tuebingen.de - Universitätsklinikum Tübingen


    Bilder

    Prof. Dr. med. Lars Zender
    Prof. Dr. med. Lars Zender
    Uniklinikum Tübingen
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Prof. Dr. med. Lars Zender


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).