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20.08.2014 10:48

Namensforschung - „Döner-Morde“ versus „NSU-Morde“

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Begriffe für die rechtsterroristische Mordserie haben Status von Ereignisnamen wie etwa Arabischer Frühling.

    Der NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht ist ständig in den Schlagzeilen und damit auch der Begriff „NSU-Morde“, während von „Döner-Morden“ kaum noch gesprochen wird. Die zwei konkurrierenden Bezeichnungen für die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) haben es allerdings beide in relativ kurzer Zeit geschafft, den Status von Ereignisnamen zu erlangen. Sie stellen also Eigennamen wie Arabischer Frühling oder Erster Weltkrieg dar, mit denen wir wichtige Ereignisse versehen, um einfacher und gezielter auf diese verweisen zu können. Wie es zum Namenstatus von „Döner-Morde“ und „NSU-Morde“ gekommen ist, hat die Mainzer Namenforscherin Sara Tinnemeyer untersucht.

    Die Bezeichnung „Döner-Morde“ nutzten seit 2006 fast alle deutschen Medien, um die bundesweite Mordserie an neun Kleinunternehmern mit türkischem und griechischem Migrationshintergrund zu bezeichnen, die zwischen 2000 und 2006 verübt wurde. Zuweilen zählt auch der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 zu den „Döner-Morden“. 2011 wurde „Döner-Morde“ zum Unwort des Jahres gewählt, weil „mit der sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechtsterroristischen Mordserie“ ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert werden. Mit den im November 2011 gewonnenen Erkenntnissen über die Hintergründe der Morde beginnt dann die Entwicklung eines neuen Ereignisnamens: „die NSU-Morde“.

    „Es gibt bestimmte Kriterien, denen ein Eigenname im Idealfall entspricht“, erklärt Sara Tinnemeyer zu ihrer Untersuchung, die sie am 16. September bei einer Konferenz von Namenforschern in Mainz vorstellen wird. Diese Kriterien, etwa zur Grammatik, Numerusfestigkeit und semantischer Passfähigkeit, hat sie auf die beiden Begriffe angewandt und festgestellt, dass eine „sehr starke Proprialisierung“ vorliegt, sich die beiden Begriffe also in einem weitreichenden Maß zu Eigennamen entwickelt haben. „Die Untersuchungen zu ‚die Döner-Morde‘ und zu ‚die NSU-Morde‘ haben ähnliche Ergebnisse erzielt, sodass beide Ausdrücke in etwa gleich stark proprialisiert sind“, erläutert Tinnemeyer. Sie geht jedoch davon aus, dass dies nicht so bleiben wird. Seit der Wahl zum Unwort des Jahres 2011 taucht „die Döner-Morde“ immer seltener auf, ein weiterer Rückgang in der Verwendung ist zu erwarten. Somit ist eine Entwicklung zum hundertprozentigen Eigennamen unwahrscheinlich.

    Im Gegensatz dazu „die NSU-Morde“: Für 2013 hat Tinnemeyer bereits zehn Mal mehr Belege für „die NSU-Morde“ gefunden als für „die Döner-Morde“. Zudem werden neue Wortbildungen, die im Zusammenhang mit der Mordserie entstehen, mit „NSU“ und nicht mit „Döner“ gebildet, zum Beispiel die Bezeichnung „NSU-Prozess“, weshalb der Namenstatus in Zukunft wahrscheinlich noch weiter gefestigt wird.

    Vom 15. bis 17. September 2014 veranstaltet die Mainzer Namenforschung eine Tagung mit dem Titel „Stiefkinder der Onomastik“ an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. In rund 30 Beiträgen werden Referenten und Referentinnen aus dem In- und Ausland drei Tage lang wenig erforschte Namenklassen in den Mittelpunkt rücken.

    Weitere Informationen:
    Sara Tinnemeyer
    Deutsches Institut
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    D 55099 Mainz
    Tel. +49 6131 577-253
    E-Mail: stinneme@students.uni-mainz.de


    Weitere Informationen:

    http://www.namenforschung.net
    http://www.namenforschung.net/tagungen/stiefkinder Informationen zur Tagung


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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